Jecken in Strumpfhosen

Screenshot Lokalkompass.de

Banal, aber für die Lokalpresse immer wieder faszinierend: Der Karnavalsprinz trägt Strumpfhosen.

Morgen beginnt sie wieder, die dümmliche und aus meiner Sicht komplett überflüssige Karnevals-, Faschings- oder Wasauchimmerzeit. Mit ihr wird auch die Lokaljournaille wieder zu einem ihrer jährlichen Höhepunkte finden. Da wird jeder Herrenwitz und jeder Kalauer begeistert nacherzählt, jedes noch so asynchrone Ballett bejubelt, jedes Hab-ich-schon-x-mal-gesehen-Motiv fotografiert und veröffentlicht – oft genug als zusätzliche Bildstrecke. Schließlich sind Akteure, Veranstalter und Zuschauer Leser (und Anzeigenkunden). Wie in jedem Jahr werden die Schreiber wieder nach Besonderem suchen, genauer gesagt nach etwas, das sie für besonders halten, denn vor allem Provinzveranstaltungen geht in der Regel jede Originalität ab.

 

Und wie in jedem Jahr werden wir wieder Texte lesen und Fotos sehen, auf denen Männer in Strumpfhosen zu sehen sind – so wie beispielsweise heute auf lokalkompass.de. Immerhin springt uns das Wort nicht schon in der Überschrift entgegen. Dafür muss man beinahe dankbar sein; aber ich bin sicher, auch das steht noch zu erwarten. Allerdings kommt Autorin Christina Görtz auch nicht komplett ohne die Erwähnung des Themas aus. Man fragt sich: Was soll’s? Menschen, die diesen angeblichen Spaß „fünfte Jahreszeit“ jahrein jahraus mitmachen, wissen es doch: Karnevalsprinzen (und manchmal auch deren Begleiter) tragen Strumpfhosen. Wo also ist der Nachrichtenwert? Man schreibt doch auch beim Schützenfest nicht, dass der neue Schützenkönig wieder ein affiges Federhütchen auf dem Kopf hatte, dass der Bürgermeister bei der Eröffnung der letzten Ratssitzung eine Leinenhose trug oder der Verkäufer beim Burgerbrater eine lustige Weste anhatte.

 

Karnevalsprinzen tragen Strumpfhosen

 

Karnevalsprinz sein und Strumpfhosen tragen gehört zusammen. Fertig. Nicht der Rede wert. Oder hat es einen anderen Grund? Sitzt da der verklemmte Redakteur oder die verklemmte Redakteurin an der Tastatur, und bei der Vorstellung von Strumpfhosen tragenden Männer geht die schlüpfrige Fantasie durch? Oder ist es Bewunderung. Geht es um Männer, die sich etwas trauen, während man selbst zu feige ist, etwas Vergleichbares zu tun? Nö. Auch nicht.

 

Karnevalsprinzen tragen Strumpfhosen, weil Prinzen im karnevalk nun einmal Strumpfhosen tragen. Basta. Nicht weil sie ihren Fetisch ausleben. Und vor allem nicht, weil Strumpfhosen ein weibliches Kleidungsstück sind. Waren sie vielleicht mal. Damals, als Karneval noch lustig war – oder gab es zu der Zeit noch gar keine Strumpfhosen? Heute hat es sich nicht nur rumgesprochen, dass auch Männer Gefallen daran oder es schlichtweg praktisch finden, Strumpfhosen zu tragen, sondern es gibt eine ganze Menge an Herstellern (allein auf dieser Seite findet sich eine Liste mit 19 Namen), die explizit Strumpfhosen für Männer produzieren. So ungewöhnlich kann es also nicht sein. Wenn es aber nicht ungewöhnlich ist, warum zum Kuckuck schreibt die Journaille dann selbst im Jahr 2018 noch so gern darüber? 

 

Zur Einfallslosigkeit der Lokaljournalisten siehe auch:
westfalen-blatt (Närrinnen treffen auf Mäbner in Strumpfhosen)
rp-online (Von Kopf bis Strumpfhose einfach jeck)
waz.de (Karnevalsprinz hat mehr Strumpfhosen als seine Prinzessin)
rp-online (Disney-Fieber beim Frauen-Karneval in Hüthum
)
rp-online Von Strumpfhosen und alten Zeiten
Kölner Wochenspiegel (Jetzt passt die Strumpfhose bestimmt)
express.de/duesseldorf (Er hat die schönsten Beine Düsseldorfs)
rp-online (Die Strumpfhose ist eine Herausforderung)
wz.de (Dreigestirn will OB Geisel in Kölner Säle entführen)
merkur.de (Scongauer Fasching imn Wandel der Zeit)
lokalkompass.de (Remmidemmi in der Redaktion)

 


Hier gibt es den autobiografischen Roman „40 DEN | Erlebnisse eines Strumpfhosenfans“ (ca. 400 Seiten A5, 14,90 €) von Marten de Trieste zu kaufen.

 

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