Faible für Feinstrümpfe im Roman
Um meine Sprachkenntnisse nicht komplett einrosten zu lassen, lese ich hin und wieder Bücher auf Holländisch. Derzeit ist es der 2010 erschienene Roman Bonita Avenue von Peter Buwalda. Dort findet sich (in der gebundenen Ausgabe von 2019) auf S. 318 f eine Textpassage, die ich allen Fans von feinem Nylon nicht vorenthalten möchte: „Er zieht einen schwarzen Feinstrumpf heraus und drückt seine Nase hinein. Die Berührung des dünn gewebten Stoffes schleudert ihn mit mythischer Wucht in die Fünfzigerjahre, er gleitet hinab in das Delfter Schlafzimmer seiner Schwester und stürzt sich mit dem Bauch auf ihr Einzelbett. Als er allein zu Hause war, versteckte er sich so lange wie möglich, zog aber schließlich unter dem eisernen Spiralbett die Hutschachtel hervor, in der sie ihre Strümpfe aufbewahrte. Er sah sie an, fühlte sie, roch den weichen, weiblichen Duft, um sich besser vorstellen zu können, wie sich die unberührbaren Frauenbeine anfühlten und rochen, die er auf der Straße, in der Straßenbahn, im Englischunterricht von Frau Recourt sah. Er schämte sich dafür, hielt sich für krank, hielt sich für einen seltsamen Jungen, vor allem, als er erfuhr, dass es für seine seltsamen Interessen ein besonderes Wort gab, ein Wort, das er nach all den Jahren immer noch hasst.“*
Die Strumpfhose der Schwester
Mich haben diese Zeilen an meine eigene Kindheit erinnert. Allerdings waren es nicht die Strümpfe, später Strumpfhosen, meiner Schwester, sondern meiner Mutter, die ich neugierig untersuchte, wenn ich allein zu Hause war. Auch das schlechte Gefühl dabei kenne ich, diese Mischung aus schlechtem Gewissen und dem Glauben, etwas Anomales, Krankhaftes zu tun.
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* Die Übersetzung stammt von mir, sie muss nicht mit der offiziellen deutschen Übersetzung übereinstimmen.