Leseprobe aus „40 DEN“: Fahrradfahren
Schon als junger Mann hat Marten de Trieste Strumpfhosen in der Öffentlichkeit getragen. Dabei fungierte das Fahrradfahren als ideale Gelegenheit, das Gefühl kennenzulernen, als Mann Feinstrumpfhosen außerhalb der eigenen vier Wände zu tragen. Jahre später sollte das Fahrradfahren dem Autor die Möglichkeit eröffnen, die Akzeptanz seiner Frau für sein Faible für Nylon zu gewinnen. Im Roman 40 DEN | Erlebnisse eines Strumpfhosenfans beschreibt Marten de Trieste diese Situationen, die in der Realität zeitlich weit auseinanderlagen, so:
Strumpfhosen unter Shorts
„Nachdem ich alles wieder auf Vordermann gebracht hatte, entdeckte ich schnell meine Begeisterung für die Natur- und Nahfotografie. Ich kaufte mir ein lichtstarkes Makroobjektiv und einen Ringblitz und machte mich damit häufig auf den Weg in die Natur. Wann immer das Wetter es zuließ, hatte ich eine Strumpfhose an oder im Gepäck.
Außerdem hatte ich mir vor einiger Zeit eine Jeansshorts zugelegt. Die ich sorgfältig vor meiner Mutter versteckte, um möglichen unangenehmen Fragen zu entgehen. Sie wusste, dass ich schon als Kind einen Widerwillen gegen kurze Hosen entwickelt hatte und hätte sich gewundert, warum ich plötzlich eine besaß. Die Shorts hatte ich gekauft, um sie bei meinen Fotoexkursionen gegen die langen Hosen zu tauschen, in denen ich stets das Haus verließ. War ich weit genug von unserer Wohnung entfernt, wechselte ich die Kleidung. Die lange Hose gesellte sich zur Fotoausrüstung in der Fahrradtasche. Stattdessen schlüpfte ich in die Strumpfhose, sofern ich die nicht bereits anhatte, und meine Shorts.
Nicht immer gelang es mir, mich unbeobachtet umzuziehen. Vielfach glaubte ich, an einem einsamen Ort die Gelegenheit beim Schopfe packen zu können. Oft kamen dann andere Fahrradfahrer, Wanderer oder Gassigeher, die ich nicht bemerkt hatte, an dieser Stelle vorbei. Das brachte mir manch irritierten Blick ein. Den es auch gab, wenn ich in Strumpfhose und Shorts durch die Gegend lief, um Motive zu suchen. Bei meinen ersten Kurzexkursionen in Strumpfhosen vor Jahren hatte ich penibel darauf geachtet, wirklich niemanden zu begegnen. Deshalb waren mir die Begegnungen während meiner Fototouren anfangs peinlich. Ich bekam aber schnell ein dickeres Fell und ging offensiv mit den Situationen um. Ich hatte das Gefühl, um so weniger Blicke auf mich zu ziehen, je selbstverständlicher ich mich in meiner Kleidung gab. Ich grüßte, blickte den Menschen offen in die Augen und versuchte gar nicht, mich in irgendeiner Weise zu verstecken.
Wie ich später feststellen sollte, schien es den meisten ohnehin gleichgültig zu sein, welche Kleidung ich trug. Die angenehmen Erfahrungen, die ich unter freiem Himmel gemacht hatte, übertrug ich ab und zu auch in andere Bereiche meines Lebens. So hatte ich schon bald wenig Hemmungen, mich in Strumpfhosen in der Öffentlichkeit zu zeigen. Oft griff ich im Herbst und im Winter auf Blickdichte zurück, wenn ich zum Sport oder in ein Wellnesscenter ging. Diese dickeren Varianten waren nicht zu übersehen, hatten aber den Vorteil, dass sie sich bei niedrigeren Temperaturen nahezu allein erklärten.
…
An einem Sonntagmorgen wollten wir das schöne Wetter wieder für einen weiteren Ausflug nutzen. Bevor wir losfuhren, rief Petra mich ins Schlafzimmer. Dort präsentierte sie mir eine Radlershorts. «Für dich. Deine Jeansshorts ist nichts zum Fahrradfahren.»
«Wie komme ich dazu?»
«Du fandest die Mountainbikerinnen damals so scharf, wenn du dich erinnerst. Dann zieh das Teil jetzt an und mach mich scharf.» Ich bedankte mich, gab Petra einen Kuss und nahm die Shorts, um sie anzuziehen.
«Nicht so», stoppte sie mich. «Natürlich mit einer Strumpfhose.»
«Ich soll dich damit doch nicht behelligen.»
«Ich habe meine Meinung geändert. Freu dich. Also: Wenn schon, denn schon. Außerdem will ich sehen, ob die Menschen wirklich so gleichgültig reagieren wie du erzählt hast.»
«Aber für eine blickdichte Strumpfhose ist es zu warm.»
«Dann zieh eine dünnere an. Du hast genug Auswahl.»
Ich öffnete die Schublade und holte ein beiges 20-DEN-Modell heraus. «Diese?»
Sie schüttelte den Kopf. «Zu unauffällig. Wie gesagt: Wenn schon, denn schon. Zieh eine an, die man nicht übersehen kann.»
Sie suchte selbst in meiner Schublade, holte ein halbtransparentes, schwarzes 30-DEN-Modell heraus und hielt es mir hin.
«Die glänzt», stellte ich fest.
«Deshalb! Ich denke, du bist so selbstbewusst.»
«Wenn du meinst.» Ich zog Strumpfhose und die Radlershorts an, die bis zur Mitte meiner Oberschenkel reichte.
«Gar nicht so schlimm, wie ich dachte. Fein, dass du dir die Beine immer so glatt rasierst», stellte Petra fest. Dann schlüpfte auch sie in eine schwarze Strumpfhose, die mit 20 DEN etwas dünner war als meine, und zog ebenfalls eine frisch erworbene Radlershorts an.
«Gab es im Zweierpack mit Rabatt», meinte sie, als sie meinen erstaunten Blick sah. Bislang hatte sie spezielle Kleidung zum Fahrradfahren für überflüssig gehalten. «Ich musste die Verkäuferin allerdings erst überzeugen, dass ein größeres Teil für einen Mann und ein kleineres für eine Frau ebenfalls ein Zweierpack ist.»
Nachdem wir auch noch neue, passende Oberteile übergestreift hatten, zog Petra mich vor den großen Spiegel im Ankleidezimmer. «Wie findest du uns?»
«Gefällt mir. Und dir?»
«Ich bin nach wie vor skeptisch, was dich betrifft.»
Wir nahmen die Fahrräder und fuhren los. Wie so oft führte der Weg an dem Kiosk vorbei, der an diesem Tag wieder gut besucht war. Wir tranken Mineralwasser, gönnten uns zwei Laugenstangen mit Frischkäse und Schnittlauch und beobachteten die anderen Gäste. Petra bemerkte, dass niemand von meinem Outfit Notiz nahm. Hin und wieder trafen Blicke meine Beine, aber eine anschließende Reaktion ließ sich nicht feststellen, weder positiv noch negativ. Zurück zu Hause gab Petra zu, dass ihre Befürchtungen nicht eingetroffen waren. Sie schloss daraus, dass Männer in Strumpfhosen doch nicht so ungewöhnlich seien wie sie vermutet hatte. Nach dieser Erfahrung könne sie akzeptieren, dass ich ab sofort auch im Haus öfter Strumpfhosen trüge, wenn mir danach zumute sei. Es sei ihre Sache, sich daran zu gewöhnen. Sie wolle es versuchen.“
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